„Fang nie an, aufzuhören &
hör nie auf, anzufangen!“

Diese Lebenseinstellung von Lucius Annaeus Seneca bringt die Einstellung des lebenslangen Lernens auf den Punkt. Für die einen beängstigend & bedrohlich für uns spannend & erfreulich: Die Aussage von Hugo von Hofmannsthal

„Das ganze Leben ist ein ewiges Wiederanfangen.“

Hand auf’s Herz: Wann haben Sie zum letzten Mal etwas völlig Neues gemacht?

Perspektivenwechsel des Lernens

Eine wesentliche Form des Erkenntnisgewinns ist auch der Perspektivenwechsel. Mein Mann und ich haben vor 13 Jahren über die gemeinsame Tauchbegeisterung zusammengefunden. In der Zwischenzeit haben wir knapp 1400 gemeinsame Tauchgänge als Buddy-Team absolviert.

„Die Klugen lernen von allem und von jedem/jeder,
die Normalen aus der Erfahrung
und die Dummen wissen alles besser.“

Im Sinne dieses weisen Zitats von Sokrates lernen wir besonders gerne aus unserer Tauchbegeisterung.

„Mehr von dem tun, das sich bewährt hat“ ist ein zentralen Prinzip des stärkenorientierten Lernens. Wir empfehlen deshalb auch Führungskräften, z.B. im Zuge von MitarbeiterInnen-Gesprächen  die Fragen zu erörtern:

  • Was machen Sie in Ihrer Freizeit gut und gerne?
  • Welche Fähigkeiten und Strategien bewähren sich dabei?
  • In welcher Form könnten Sie diese Erfolgsfaktoren auch beruflich nutzen?“

Tauchen mit Atemgeräten lässt uns das Element Wasser erschließen. Der Auftrieb des Wassers und die leicht trainierbaren Möglichkeiten des Tarierens ermöglichen schwereloses Schweben und damit die Freiheit der Bewegung in allen Dimensionen. Ganz im Sinn von Fritz Perls, einem der Begründer der Gestalttherapie, der meint:

„Lernen heißt erkennen, dass etwas möglich ist.“

Erfolg braucht gerade in dynamischen Zeiten mit einem hohen Grad an Ungewissheit eine gesunde Balance zwischen entschlossenem Handeln und vertrauensvollem Einlassen. Ersteres ist in unserer Leistungskultur mit dem Führungsbild des Machers überproportional ausgeprägt. Zweiteres kann man beim Tauchen bestens trainieren.

Stärkenorientiertes Lernen

In unserer (Lern-)Kultur wird viel zu wenig darauf Wert gelegt, unbewusste Kompetenzen bewusst zu machen, um sie gezielt einsetzen zu können. Dabei wusste schon Konfuzius:

„Zu wissen, was man weiß,
und zu wissen, was man tut,
erst das ist Wissen.“

Und Moshé Feldenkrais formuliert es handlungsbezogen:

„Nur wenn ich weiß, was ich tue,
kann ich tun, was ich will.“

Im März 2013 veröffentlichten Jack Zenger und Joseph Folkman im Harvard Business Review The Ideal Praise-to-Criticism Ratio. In einer Studie untersuchten Sie, welches Verhältnis von positivem zu negativem Feedback am meisten Verhaltensänderung und Lernen bewirkt. Am meisten Wirkung zeigte Feedback mit einem Verhältnis von mehr als fünfmal so viel bestärkender als korrigierender Rückmeldung.

Lustvoll lernen

Schon beim Schnuppertauchen und erst recht in der Tauchausbildung zeigt sich eindrücklich der Unterschied zwischen sozialer und innerer Motivation: Menschen, die anderen z.B. ihrem/ihrer PartnerIn zuliebe das Tauchen ausprobieren oder mitmachen, weil es alle anderen der Gruppe tun, suchen häufig(er) und finden ganz leicht Gründe, warum sie nicht tauchen können. Probleme mit dem Druckausgleich oder der Atmung haben manchmal anatomische und viel häufiger mentale Gründe. Ganz anders Menschen, die von sich heraus die Unterwasserwelt erkunden wollen. Sie stellen sich freudig Herausforderungen und kosten ihre ersten Trainingserfolge aus.

Den idealen Lernzustand können wir von kleinen Kindern lernen, die in herzhafter Neugierde Dinge be-greifen wollen, wie ein wissensdurstiger Schwamm Informationen verinnerlichen und mit beharrlich-leidenschaftlichen WARUM-Fragen Hintergründe erforschen. Bertolt Brecht bringt es auf den Punkt:

„Talent ist Interesse.“

In meiner Kindheit war meine Stärke der  herzhaften Neugierde gar nicht so willkommen. Zum Glück nicht von meinen Eltern, die meine Wissbegier gefördert haben, aber von vielen andere haben mich ermahnt: „Sei nicht so neugierig.“ Doch ein römisches Sprichwort besagt:

„Neugierde ist die Mutter der Weisheit.“

Souverän 2.0 die Lernkompetenz fördern

Unsere Bildungseinrichtungen zielen meist auf Souveränität 1. Ordnung: makellos und fehlerfrei zu funktionieren.  Sich weiterzubilden hat so den bitteren Beigeschmack, noch nicht alles zu wissen und alles zu können. Von diesen Weiterbildungsmuffeln höre ich dann z.B.: „Jetzt haben wir schon alle ein Training verpasst bekommen. Bin ich so ein schwieriger Fall, dass ich jetzt sogar noch zusätzlich  Coaching brauche?“ Meine umpolende Antwort: „Sie spielen in der Profi-Liga. Da steht Ihnen nicht nur ein hochprofessionelles Training sondern auch ein persönlicher Coach zu.“

Souverän 2. Ordnung stellen wir uns bewusst den Lücken in unseren Wissenslandkarten: anstatt unsere Inkompetenzen zu kaschieren freuen wir uns, neue Lernfelder entdeckt zu haben, die wir erschließen können. Mit Interesse und Neugierde erkunden wir neues Terrain. Dem berühmten Ausspruch von Sokrates

„Ich weiß, dass ich nicht weiß.“

folgt der deutlich weniger bekannte Nachsatz:

„Und viele wissen nicht einmal das.“

Der beschränkende, defizitorientierte Irrglauben der Souveränität 1. Ordnung „Lernen muss man, wenn man zu wenig weiß.“ wird aufgelöst durch die neurobiologische Erkenntnis:

„Je größer und buchtenreicherer die Inseln unseres Wissens sind,
desto mehr neues Wissen kann andocken.“

Wissen steigert die Lebensfreude

Wie auch in allen anderen Lebensbereichen gilt beim Tauchen: Recherche und Wissen erhöht die Chance, Erfreuliches wahrzunehmen, steigert die Lebensfreude und weckt die Lernbereitschaft.

Beim Tauchen erlebe ich es immer wieder beglückend: je mehr ich weiß, desto mehr entdecke ich, desto häufiger freue mich und desto wissbegieriger werde ich. Langnasenbüschelbarsche – siehe Beitragsfoto – sind z.B. Fische, die mir besonders gut gefallen. Zu wissen, dass sie auf Fächerkorallen und in Hartkorallenbüschen leben, erhöht die Chance, sie dort auch zu entdecken. Ich freue mich über jede dieser Korallen, weil dort mein Lieblingsfisch sein KÖNNTE. Wenn ich ihn dann wirklich entdecke, bin ich begeistert.

So habe ich z.B. das Ei eines Katzenhais in 40 m Tiefe an einem kroatischen Riff entdeckt. Das konnte ich nur deshalb, weil ich wusste, wie es aussieht und mir so der markante Querschnitt des ansonsten super getarnten Hai-Eies in der Vielfalt der vielen kleinen Details aufgefallen ist. Das Relevanzfilter unserer selektiven Wahrnehmung lässt nur das in unser Aufmerksamkeitszentrum, dem unser Unbewusstes Bedeutung zumisst. Wir können nur erkennen, was wir kennen. Wenn mir Mirakelbarsche, Bäumchenfische, Palettenstachler, Sattel-Krugfische, Vogelfische, Schachbrettjunker, die Jugendform des Kaiserfisches oder des Spitzmaulfledermausfisches bekannt sind, freue ich mich über diese besonderen Begegnungen. Für Nichtwissende sind sie ein nicht wahrnehmbarer Teil der vielen bunten Fische. Und je mehr ich weiß, desto öfter fällt mir Unbekanntes auf, das die Neugierde,  Wissbegier und Lernfreude weiter weckt.

Kraftvolles WOFÜR

Der vielzitierte Spruch von St. Exupéry

„Wenn du ein Schiff bauen willst,
dann trommle nicht Männer zusammen,
um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen,
sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“

gilt auch für das Tauchen: eine gute Tauchausbildung beginnt nicht mit den Details des Equipments, die es natürlich in der Folge braucht, sondern vermittelt die Faszination des schwerelosen Schwebens unter Wasser und der üppigen Unterwasserwelt. In sicherer Umgebung, wenn möglich mit ersten schönen Eindrücken unter Wasser, können dann Standardsituationen und vor allem das ruhige Atmen trainiert werden.

Tauchen hat sehr viel mit vertrauensvollem Sich-Einlassen zu tun. Dieses Vertrauen gilt es zu festigen und zu fundieren – mit Theorie, Fähigkeiten und vor allem positiven Erfahrungen.

Allen Wissens- und Kompetenzvermittlern lege ich daher die Aussage von Henri Frédéric Amiel ans Herz:

„Zu wissen, wie man anregt,
ist die Kunst des Lehrens.“

Entdeckungslust & Lernfreude wahren

TauchanfängerInnen haben den Vorteil, dass für sie – ähnlich wie bei Frischverliebten – vieles ein faszinierendes, berauschendes Erlebnis ist: der erste riesige Manta ganz nahe, unter Wasser so elegante Meeresschildkröten, die Begegnungen mit Haien, die vom Guide gezeigten kuriosen Angler- oder Krokodilsfische.

Erfahrene TaucherInnen wie wir haben hingegen den Vorzug der Entspanntheit und souveränen Gelassenheit. Mein Lebens-Buddy und ich erfreuen uns an der üppigen Vielfalt der Riffe, an den vielen Details, die wir so sehr lieben. Sehen wir dann auch noch Großfische oder spezielle Raritäten ist das eine wunderbare Draufgabe – unsere Freude am Tauchen hängt jedoch nicht von diesen kaum beeinflussbaren Glücksfällen ab.

Manfred Spitzer erläutert in „Das Gehirn und die Geheimnisse der Liebe“ die neurobiologische Grundlage der unterschiedlichen Arten der Liebe. Neben der euphorischen, endorphinreichen Verliebtheit hat die innig-vertraute, oxytocin-basierte Liebe ihre leisen Qualitäten. Unklug wäre es, das Nachlassen der Schmetterlinge im Bauch mit dem Ende der Liebe zu verwechseln. Das gilt natürlich nicht nur für Liebesbeziehungen und Tauchen sondern für alle – auch die beruflichen – Lebensbereiche.

Hier können Sie das Kapitel „Lernfreude wecken“ aus unserem  Buch „Tauchen im Ozean des Lebens: Tauch-Erfahrungsschätze für den privaten & beruflichen Alltag“ kostenlos downloaden.

Hier finden Sie die gekürzte Version, die in der Ausgabe 01/2016 im Magazin TRAiNiNG erschienen ist: „Steigern Sie Lern- & Lebensfreude“

Über: Monika Herbstrith-Lappe

Geschäftsführende Unternehmerin von Impuls & Wirkung – Herbstrith Management Consulting GmbH, High Performance Coach, Keynote Speaker, Top Trainerin, Certified Management Consultant, Autorin von Büchern und Fachartikeln