Vertrauen gegen Vertrauen?

„Österreich ist ein einziges Netzwerk von Netzwerken.“ spielt Prof. Malik, Managementzentrum St. Gallen, auf die Überschaubarkeit der Österreichischen Strukturen an, wo sich Wege immer wieder kreuzen. Das heißt auch: Man kann sich keine wirklichen Feindschaften leisten. Wer weiß in welcher Form man sich wieder begegnet und welche Abhängigkeiten dann bestehen.

Hartes, kämpferisches oder manipulatives Verhandeln hat den Preis, dass der/die andere sich danach unterlegen fühlt und nur auf die Gelegenheit der Retourkutsche wartet – oder aber in die innere Resignation geht. Schlecht, wenn man derart geschwächte und/oder verärgerte Personen zur Umsetzung der Verhandlungsergebnisse braucht – z.B. bei Verhandlungen mit MitarbeiterInnen und KooperationspartnerInnen oder beim Verkaufen/Einkaufen von Dienstleistungen, die dann gemeinsam erbracht werden.

In unserer Kultur herrscht der Glaubenssatz des 0-Summen-Spiels vor: „Des einen Freud – des anderen Leid.“ Dementsprechend gleicht Verhandeln oft einem Feilschen, in das man mit der Haltung geht: Der/die andere will mich sicher über den Tisch ziehen. Das möchte ich verhindern. Daher versuche ich den/die andere über den Tisch zu ziehen.

Da ist es wieder das klassische Gefangenen-Dilemma in abgewandelter Form: Zwei Beschuldigte werden gleichzeitig gefasst und getrennt vernommen. Wenn beide schweigen, kann ihnen nichts nachgewiesen werden. Wenn einer dem Druck nicht Stand hält und den anderen beschuldigt, der andere aber schweigt, erhält der Sprechende mildernde Umstände und muss nur kurz, der andere dafür als Alleinschuldiger noch länger ins Gefängnis. Wenn beide sprechen, müssen beide nicht allzu lange ins Gefängnis. Also was tun? Kann ich dem anderen vertrauen?

Computer wurden mit unterschiedlichen Strategien für das Gefangenen-Dilemma programmiert und traten gegeneinander an. Mit Abstand die erfolgreichste Strategie war „Tit for That“: Man geht vertrauensvoll auf den/die andere zu und spiegelt dann das Verhalten des Vis-a-vis. Solange der andere sich kooperativ verhält tut man das auch. Wenn der andere das Vertrauen bricht, antwortet man auch kämpferisch. Danach muss der/die andere den 1. Schritt setzen, um das Vertrauen wieder herzustellen, worauf man wieder vertrauensvoll antwortet. In einer weiterentwickelten Variante dieser Strategie muss nach einem Vertrauensbruch der/die andere zwei wieder einlenkende Schritte setzen, bevor man wieder kooperativ antwortet.

Weich in der Form und hart in der Sache

Frauen bekommt es noch weniger kämpferisch zu verhandeln. Während man bei Männern heldenhaft anerkennend von taktischer Klugheit oder ergebnisorientierter Durchsetzungsstärke sprechen würde, hieße es bei Frauen eher abwertend Falschheit oder ellbogenreiche Rücksichtslosigkeit. Frauen werden auch durchaus strategisch als Delegierte in Verhandlungen geschickt: nach wie vor lösen sie immer wieder eine „Beißhemmung“ beim männlichen Vis-a-vis aus.

Die „Nettigkeitsfalle“ steht weit offen: Aus der Befürchtung, nicht mehr als liebenswürdig und sozial kompetent zu gelten, verliert man leicht die eigenen Interessen aus dem Auge. Man will den anderen nicht verletzen und lässt es dann zu, selbst verletzt zu werden.

„Weich in der Form und hart in der Sache“ löst dieses Dilemma auf. Einerseits ergebnisorientiert-konsequent auf der Sachebene und andererseits verständnisvoll-wertschätzend auf der Beziehungsebene. Den ein Grundbedürfnis hat das Vis-a-vis immer: das Gesicht wahren. Denken Sie bei Verhandlungen immer auch daran, dass der/die andere das Verhandlungsergebnis gegenüber sich und anderen vertreten können muss.

Konsens versus Kompromiss

Henry Kissinger hat gemeint, ein Kompromiss ist dann gut, wenn beide Seite gleichermaßen unzufrieden sind. Da ist sie wieder die „Anleitung zum Unglücklichsein“ von Paul Watzlawik. Oft entsteht auf diese Art und Weise eine „heiße Kartoffel“, die von niemandem getragen wird. Ein ungeliebtes Provisorium, das in österreichischer Tradition von langem Bestand ist.

Doch sind die vielzitierten „Win-Win-Ergebnisse“ auch wirklich möglich? Was sind die Voraussetzungen und Erfolgsfaktoren dafür? Kontraproduktiv ist das Machtspiel „Wer hat Recht?“ und das vielpraktizierte „Entweder-oder-Denken“. Ein verbindendes, verbindliches „Sowohl-als-auch“ ist wesentlich öfter möglich, als man glaubt. So lässt sich z.B. der scheinbare Widerspruch „rund“ oder „eckig“ in der 3. Dimension auflösen: ein Zylinder ist im Grundriss ein Kreis, im Aufriss ein Rechteck.

Und genau das ist der springende Punkt: um Win-Win-Situationen zu erschließen, muss man zusätzliche Verhandlungsdimensionen eröffnen. Wenn zwischen Führungskraft und MitarbeiterIn nur die Höhe des Gehalts verhandelt wird, ist es ein Tauziehen: je mehr der/die eine haben will, desto mehr muss der/die andere nachgeben. Kommen aber zusätzliche Dimensionen dazu, wie z.B. Aufgabenfeld, Übernahme von Verantwortung, Weiterbildungsmöglichkeiten, Karriereperspektiven, Flexibilisierung der Anwesenheitszeit, Ausstattung der Infrastruktur etc., desto wahrscheinlicher ist es, dass beide mit einem guten Gefühl aus der Verhandlung gehen.

Gegenseitige Wertschätzung als Basis

Das Getriebe verdeutlicht besonders treffend, wie wertvoll ergänzende Unterschiedlichkeit sein kann: Völlig kontraproduktiv wäre es, wenn das große dem kleinen Zahnrad vorwerfen würde: „Bist du aber klein.“ Was vermutlich

den Gegenvorwurf des kleinen flinken an das große auslösen würde: „Na, du drehst dich aber langsam!“ Technisch betrachtet sorgt das eine für die Geschwindigkeit und das andere für das Drehmoment und damit die Kraft. Je mehr sich die Zahnräder unterscheiden, desto größer ist die Übersetzung – und je besser sie zueinanderpassen und ineinandergreifen, desto höher ist der Wirkungsgrad und desto geringer sind Reibung und Verschleiß.

Im Themen-Repertoire finde Sie noch mehr Gedanken zu diesem Thema – einerseits unter Mentaler Orthopädie® und anderseits unter TEAM-Work

Über: Monika Herbstrith-Lappe

Geschäftsführende Unternehmerin von Impuls & Wirkung – Herbstrith Management Consulting GmbH, High Performance Coach, Keynote Speaker, Top Trainerin, Certified Management Consultant, Autorin von Büchern und Fachartikeln